Fußball-WM 2014: Am Strand nur Tanga! Brasilianische Sommermode im Realitäts-Check

Foto: Thomas Schildmann
Foto: Thomas Schildmann

Ein Gastbeitrag von Christina Gruber

 

Gertenschlanke, rassige Bikini-Schönheiten, brasilianischer Körperkult pur, Samba im knappen Tanga: Wenn deutsche Journalisten – gerade jetzt zur Fußball-WM – über Rio de Janeiros berühmte Stadtviertel Ipanema und Copacabana schreiben, gehen bei ihnen ziemlich oft alle Klischee-Gäule durch. Als unbedarfte Leserin gewinnt man schnell den Eindruck, man dürfe sich in Rio praktisch nicht blicken lassen, wenn man über 25 ist und mehr als 50 Kilo auf die Waage bringt.

 

Und tatsächlich lässt sich der Imperativ der brasilianischen Damenmode sehr knapp zusammenfassen:

 

Am Strand nur Tanga!

 

Auf der Straße nur Mini-Shorts und enge Tops!

 

Und Punkt.

 

Es lässt sich aber hinzufügen: In jedem Alter, mit jeder Figur. Und Punkt.

 

Denn: Der Anteil der gertenschlanken, jungen Bikini-Mädchen ist an der Copacabana in etwa so hoch wie in jedem deutschen Freibad. Die Strände von Rio sind vor allem eines: Volks- und Familienstrände. Sie sind nicht die Hotspots der Models oder Jet-Set-Touristen, sondern der ganz normalen Leute. Und die sehen in der Regel eben auch ganz normal aus – inklusive Bäuchlein und runder Hüften. Wie bei uns.

 

Nur die Kleidung, die ist in Brasilien deutlich körperbetonter. Während unsere Modezeitschriften jeden Sommer allerhand Bauchumspielendes, Hüftenkaschierendes, Formenverbergendes präsentieren, zeigt die Brasilianerin, was sie hat. Und in deutschen Modehäusern erhältliche Badeanzug-Monster, womöglich noch mit Bauch-Weg-Röckchen dran, sind in Rio ab-so-lut undenkbar. Wie gesagt: Am Strand nur Tanga!

Foto: Christina Gruber
Foto: Christina Gruber

 

Nicht nur am Strand, auch im Alltag auf den Straßen der Stadt, wird die Figur vor allem eines: gezeigt! Das gilt im Übrigen auch für die Männer. Wer über Ipanemas Shopping-Meile, die Rua Visconde de Piraja, schlendert, wird des öfteren Damen oder Herren begegnen, die zu Badehose oder Bikini nur ein Handtuch tragen. Gut, das ist jetzt weniger dem guten Selbstbewusstsein der Brasilianer geschuldet, als vielmehr der Tatsache, dass einem am Strand ratzfatz alles geklaut wird, auch das letzte Hemd. Da ist es dann clever, wenn man auf dem Weg zum Strand und zurück erst gar kein Hemd dabei hat.

 

Das Ganze sieht auf den ersten Blick nach einem offen präsentierten selbstbewussten Körpergefühl aus. Doch diesem Eindruck entgegengesetzt ist die Tatsache, dass es in Brasilien (pro Kopf) weltweit die meisten Schönheits-Operationen gibt. Sogar mehr als in den USA. Auf Platz eins hält sich seit Jahren die Fettabsaugung (Lipoaspiração), gefolgt von der Brust-OP. Leichte, knappe Bekleidung bei tropischen Temperaturen: Der Körper hat in Brasilien einen ganz anderen Stellenwert als bei uns.

 

Zu 88 Prozent sind es Frauen, die sich unter das Messer legen. Die Nachfrage ist in allen Bevölkerungsschichten groß, nicht nur bei den Reichen – wer nicht genügend Geld für eine OP hat, nimmt einen Kredit auf. Die Eingriffe sind zu Statussymbolen geraten: Welche OP hat man sich geleistet? Bei welchem Star-Schnippler hat man „was machen lassen“?

 

Frauen in Karriere-Berufen bleibt oft nichts anderes übrig, als sich mit Botox, Haarfärbemitteln und Silikon aufzurüschen. Das gilt sogar für Top-Politikerinnen wie Staatspräsidentin Dilma Rousseff, die sich vor der Wahl erst einmal unter das Messer legte, um jünger zu wirken.

 

Und so reiht sich in der Berichterstattung über Brasilien zu Klischee 1 („In Rio gibt es nur rassige Bikini-Beautys“) auch gleich Klischee 2 („Alle Brasilianerinnen sind körperfixierte OP-Maniacs“). Mein persönlicher Eindruck nach drei Wochen in Brasilien: Die meisten Frauen haben – zwischen Kindererziehung, Beruf und Alltag – etwas anderes im Sinn als ständig über Schönheitsideale nachzugrübeln. Und in der Zwischenzeit eilen sie bei 30 Grad in Shorts und Flipflops über die Straße, um schnell noch was im Supermarkt einzukaufen. Und am Strand? Nur Tanga!

 

 

Foto: Christina Gruber
Foto: Christina Gruber

Christina Gruber ist freie Autorin aus Köln. Sie bereist mit ihrem Ehemann Thomas Schildmann gerne die abgelegeneren Orte der Welt - von Timbuktu bis Feuerland -, aber auch gerne die Megacitys wie Rio de Janeiro, San Francisco, Panama City, Kairo oder Kalkutta.

 

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ulrike (Samstag, 12 Juli 2014 21:53)

    Toller Artikel Christina! Hab ich jetzt erst entdeckt. Ich liebe deinen Schreibstil - bitte weiter so.

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