Plussize-Model Lenard Kunde: "Wäre ich dünn, wäre ich kein Model!"

Lenard Kunde ist Deutschlands meist gebuchtes XXL-Männermodel. Dabei kam er nur durch Zufall zu seinem Beruf. Im Interview spricht er über sein Lieblingsessen, die Zukunft der Plussize-Mode und was ihn in Berlin fast zerrissen hätte.

Ich treffe Lenard Kunde in einem Berliner Hotel. Der Mann ist 1,84 Meter groß, bringt stattliche 120 Kilo auf die Waage – und wirkt dabei doch nicht besonders auffällig. Vielleicht ist gerade das der Grund, warum Lenard Kunde zu den wenigen männlichen XXL-Models in Deutschland gehört und gut davon leben kann. Mit dem Mann können sich offenbar viele Männer mit Übergrößen gut identifizieren.


Seit sechs Jahren arbeitet der ehemalige Radio-Moderator als Übergrößen-Model. Zu verdanken hat er das seinem ersten Auftraggeber, der seine Fotos ohne Rücksprache an eine Agentur geschickt hatte. „Ich bin dick, ich halte mich nicht für einen attraktiven Menschen. Und wenn mir früher jemand gesagt hätte, dss ich als Model Geld verdienen kann, hätte ich gedacht, er lügt mich an“, erzählt Lenard. Heute ist er stolz darauf, dass er sich als Selbstständiger durchgesetzt hat: „Das war wie so oft im Leben: Der Job ist zu mir gekommen. Du rennst irgendwelchen Sachen hinterher und kriegst sie nicht, und dann kommt etwas auf dich zu, das musst du dann aber auch erstmal erkennen.“


Lenards Freundin Sheila Rubin hat ihn nach Berlin begleitet. Die schlanke Blondine war früher Leistungssportlerin und hessische Meisterin im Eiskunstlauf. Seit drei Jahren sind die beiden ein Paar und wohnen zusammen in der Nähe von Kassel. Die beiden sind ein ganz normales Paar, findet Lenard und stellt fest: „Ich glaube, sie findet das eigentlich auch ganz cool, wenn ich mir nachts um 2 noch ein Spiegelei brate oder mir abends zum Fernsehen eine komplette Tafel Schokolade reinputze.“


Lenard Kunde und Jutta Rogge-Strang
Lenard Kunde und Jutta Rogge-Strang

 

Von nichts kommt nichts, und Lenard Kunde muss sein Gewicht halten. Denn als XXL-Model kommt es auf die Konfektionsgröße an, und die 15 Agenturen, für die Lenard arbeitet, vermitteln ihn auch schon mal für ein Shooting nach New York – aber nur, wenn er genügend Pfunde auf den Rippen hat: „Vor zwei oder drei Jahren habe ich ein Mal in knapp vier Monaten 17 Kilo abgenommen, weil ich eine Schauspielrolle hatte. Allerdings bin ich dann auch direkt bei zwei meiner Model-Agenturen rausgeflogen, weil die Konfektion nicht mehr gepasst hat. Also habe ich danach wieder zugelegt – und alles ist wunderbar!“


Lenard Kunde hat seine Chance ergriffen und kann heute als XXL-Model sehr gut davon leben: „Ich komme jährlich auf ungefähr 100 Aufträge, das ist schon sehr ordentlich. Plussize ist im Kommen. Zwar habe ich nach wie vor die Standardaufträge, bei denen ich für zwei oder drei T-Shirts einen halben Tag gebucht werde. Aber insgesamt werden die Aufträge höherwertiger.“


„Manchmal denke ich: Was hast du für ein Glück!“ 


Die Konkurrenz schläft nicht, aber Lenard Kunde bleibt gelassen: „Der Vorteil ist in meiner Branche, dass es nur fünf oder sechs männliche XXL-Models gibt, und die machen das nebenberuflich. Die Buchungen kommen aber immer sehr kurzfristig. Die Agentur ruft an und fragt, ob man morgen oder übermorgen um 9 Uhr in Bremen sein kann, das macht natürlich kein Arbeitgeber mit.“ Bei der wenigen Konkurrenz ist der Kuchen tatsächlich noch groß genug für andere Models. Aber es gehört natürlich mehr dazu, als nur dick zu sein: „Man braucht eine gewisse Ausstrahlung und man braucht ein gewisses Gesicht.“ Das hat Lenard Kunde bereits, aber er tut auch etwas dafür, damit das das so bleibt: „Ich lasse mir alle drei Monate die Zähne professionell reinigen und gehe oft zum Friseur. Und man braucht eine gewisse charmante Art, um am Set und mit den Agenturen klarzukommen.“  


Und man braucht genau die Marktlücke, in die man hineinpasst. Lenard hat mittlerweile schon sehr viele verschiedene Produkte beworben: Natürlich immer wieder Kleidung, aber auch Genuss-Artikel, Bier oder Lebensmittel, sogar einen Burger-Werbespot hat er gedreht. Das Gesicht von Lenard ziert Großpackungen für Dr. Oetker, er lächelt als Koch auf Verpackungen für Gastronomie-Saucen. „Manchmal denke ich: Was hast du für ein Glück!“ Auf der Straße wird Lenard inzwischen öfter erkannt, aber auf eine wunderbare „anonyme Art der Prominenz“, wie er es nennt: „Die Leute kennen mich irgendwoher, aber wissen nicht woher“. Ich verkneife mir dann zu sagen: „Wahrscheinlich haben Sie den letzten Aldi-Prospekt durchgeblättert“ - weil ich da drei Mal drin war.“  

Lenard Kunde ist nicht nur als Model unterwegs, er schreibt Drehbücher, gibt Schauspiel-Unterricht, spricht Dokumentationen oder synchronisiert Filme. „Echte Freizeit habe ich nicht und will ich auch nicht. Ich bin immer irgendwie unter Dampf.“ Privat fährt Lenard leidenschaftlich gerne Fahrrad oder geht Spazieren und Wandern: „Ich finde es gut, immer aktiv zu sein.“


Dabei darf aber das Essen nicht zu kurz kommen – immerhin muss Lenard sein Gewicht halten. „Weil ich so viel in Deutschland unterwegs bin, bekomme ich die ganze Vielfalt der deutschen Küche mit. Ich liebe das! Wenn ich im Norden bin, gönne ich mir schöne Bratkartoffeln mit frischem Fisch. Wenn ich in München bin, dann gehe ich in den Augustinerkeller, da gibt’s einen Schweinsbraten mit Klößen. Und im Elsass den Flammkuchen mit Gewürztraminer!“

 

In Berlin hat ihn der Koch vom 'Curry 36' aber kalt erwischt: Auf die Frage „Soll ich es ein bisschen schärfer machen?“ hat Lenard mutig mit „Ja, gerne!“ geantwortet. Ein bisschen vorschnell war das vielleicht schon: „Es war so höllisch scharf, dass ich dachte, ich breche in zwei Hälften auseinander....!“ Zum Glück ist Lenard noch im Stück zu haben und kann seiner wahren Leidenschaft frönen: „Ich mache den Grill im Herbst an und mache ihn im Herbst darauf wieder aus!“ Das spart immerhin das An- und Abgrillen!


"Wenn ich dünn wäre, hätte ich das nicht geschafft."

 

Obwohl man sich an Model-Gesichtern schnell sattsieht, muss sich Lenard künftig erstmal keine Sorgen machen, denn die Plussize-Industrie ist im Aufwind: „Ich bin voller Dankbarkeit für jeden neuen Tag und jeden neuen Job, der reinkommt. Mir macht es Spaß, es ist ein cooler Job und er gibt mir die Freiheit, Dinge zu tun, mit denen ich kein Geld verdiene, zum Beispiel eigene Filme zu drehen. Und ich schreibe gerade an einem Drehbuch, das ich nächstes Jahr selber verfilmen möchte, eine Gangsterkomödie, einen Roadmovie.“


 

Sein Leben bezeichnet Lenard Kunde selbst als traumhaft: „Mir ist schon klar, dass ich Model bin, weil ich dick bin. Wenn ich dünn wäre, hätte ich das nicht geschafft: Für ein klassisches Model sehe ich nicht gut genug aus.“ Lenard Kunde geht selbstbewusst durch sein Leben: „Ich bin dick und ich lebe davon! Aber ich erwarte nicht, dass es ewig so gut laufen wird. Mein Ding wäre dann die Schauspielerei. Aber wenn sich jemand einen Beruf als Plussize-Model aufbauen möchte, kann ich nur sagen: Mit der Unterstützung einer guten professionellen Agentur für Übergrößen kann man noch richtig Geld verdienen.“


Lenard Kunde kam nach dem Studium der Sozialpädagogik zum Radio. Nach seinem Volontariat arbeitete er als Moderator und fing nach mehr als 1.200 Live-Sendungen eine Schauspielausbildung an der Film Acting School in Köln an, die er 2006 erfolgreich abschloss. Im Fernsehen war unter andem zu sehen in den Fernsehreihen „Wilsberg“, „Tatort“ sowie „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Es folgten zahlreiche Independent-Filmproduktionen, hierunter Spielfilme und experimentelle Kurzfilme, wie die preisgekrönteZDF/ARTE-Produktion „Sechster Sinn, drittes Auge, zweites Gesicht“ (2012) oder das Zweite Weltkriegs-Drama „Zweimal über den Horizont“.


2013 spielte Lenard Kunde die Rolle des Chefredakteurs des Hauptstadtstudios Berlin in der UFA-Produktion „Der Rücktritt“. Als Synchronsprecher lieh Kunde verschiedenen US-Schauspielern seine Stimme und war Sprecher der Figur „Jason Dawn“ in zahlreichen Hörspielproduktionen der gleichnamigen Vampirsaga, für die er auch ausgezeichnet wurde.

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Kommentare: 1
  • #1

    Andrea (Freitag, 27 September 2019 08:05)

    Hallo lieber Herr Lenard,
    Sie können sich mit stolz auf die Schulter klopfen.
    Ganz großes Kompliment.
    Herzliche Grüße Andrea

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